Wer nicht vertraut, findet kein Vertrauen – so lernst du, zu vertrauen

Vertrauen zu können, ist wichtig für unser seelisches Wohlbefinden und unsere Beziehungen. In diesem Beitrag erhältst du Tipps zum Abbau von Misstrauen und zum Aufbau von Vertrauen.

Wer nicht vertraut, findet kein Vertrauen – so lernst du, zu vertrauen
© Marek Piwnicki, unsplash.com

"Kann man denn überhaupt niemandem mehr trauen?" Sicher ist jedem von uns schon einmal dieser Gedanke durch den Kopf gegangen, wenn er von einem Menschen enttäuscht wurde. Enttäuscht und frustriert zu sein, wenn man hereingelegt wurde, ist eine ganz normale Reaktion.

Viele Menschen jedoch, die schlechte Erfahrungen mit ihren Mitmenschen machten, sind nicht nur enttäuscht, sie werden auch sehr misstrauisch und entwickeln eine feindselige Haltung gegenüber anderen. Und manche Menschen entwickeln eine Verbitterungsstörung. Ihr Misstrauen ist für sie eine Art Schutzschild, das sie vor schlechten Erfahrungen bewahren soll - nach dem Motto: Wenn man nichts erwartet oder wenn man gar mit dem Schlimmsten rechnet, dann kann man auch nicht enttäuscht werden. Das mag sein, aber durch diese Einstellung verhindert man auch, mit anderen Menschen positive und befriedigende Erfahrungen zu machen.

Vertrauen können ist eine wichtige Basis für alle Beziehungen, ob im persönlichen und privaten oder im beruflichen Bereich. Schauen wir uns deshalb an, was es heißt, zu vertrauen, und warum wir uns ein gewisses Vertrauen anderen gegenüber, trotz schlechter Erfahrungen, bewahren sollten.

Es gibt zwei Arten von Vertrauen, die beide miteinander zusammenhängen

  1. Vertrauen in sich selbst und in seine Fähigkeiten
  2. Vertrauen zu anderen Menschen

Wenn wir uns selbst vertrauen, dann vertrauen wir in unsere Fähigkeit, mit zukünftigen Problemen umgehen zu können. Wir haben das (Selbst-)Vertrauen, unser Leben zu meistern. Durch dieses Vertrauen gehen wir gelassener durch die Welt. Wenn ich der Überzeugung bin, ich kann – komme was wolle! – damit fertig werden, dann habe ich wenig Angst, anderen zu vertrauen. Dann kann ich anderen Gutes "unterstellen" und vertrauensvoll auf diese zugehen. Wenn ich jedoch glaube, anderen (psychisch) nicht gewachsen zu sein, (psychisch) schwächer als andere zu sein, dann habe ich Angst vor anderen und neige zu Misstrauen.

Wie Kinder lernen, misstrauisch zu werden

Jeder Mensch hat sich in seinem Leben eine bestimmte Grundeinstellung hinsichtlich anderer Menschen zugelegt. Diese Grundeinstellung entwickeln wir aufgrund unserer Erfahrungen in der Kindheit. Kleine Kinder haben ein absolutes Vertrauen in ihre Umwelt, bis sie erfahren, dass sie enttäuscht werden können. Solche Situationen können sein:

  • wenn niemand da ist, wenn sie Hilfe brauchen
  • wenn die Eltern etwas ankündigen und es nicht einhalten,
  • wenn zu hohe Anforderungen an sie gestellt werden, sodass sie immer wieder erleben, etwas nicht zu schaffen,
  • wenn sie sehr häufig kritisiert werden,
  • wenn die Eltern sie schlagen oder beschimpfen,
  • wenn die Eltern sie überbehüten und keine eigenen Erfahrungen machen lassen,
  • wenn die Eltern launisch sind und ihre Launen am Kind auslassen,
  • wenn Kinder sich einer Situation hilflos ausgeliefert fühlen wie beispielsweise einem langen Krankenhausaufenthalt oder einer Kinderkur, wenn eines der Elternteile stirbt oder die Eltern sich trennen.

In solchen Situationen lernen Kinder, ein geringes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, in andere Menschen oder in das Leben zu entwickeln.

Julian Rotter, Verhaltensforscher an der Universität von Connecticut hat Untersuchungen mit eher misstrauischen und eher vertrauensvollen Menschen durchgeführt und dabei auch Vorurteile gegenüber vertrauensvollen Menschen überprüft. Er fand weder Belege für die Vorurteile, dass vertrauensvolle Menschen dümmer und leichtgläubiger sind als misstrauische, noch dafür, dass vertrauensvolle Menschen häufiger übers Ohr gehauen werden.

Vertrauensvoll leben - wie macht man das?

Es gibt viele Belege dafür, dass dem, der anderen vertraut, auch Vertrauen entgegengebracht wird oder umgekehrt.

Wer anderen misstraut, wird häufiger enttäuscht bzw. sieht sich darin bestätigt, dass sein Misstrauen berechtigt ist.

Wenn dir jemand kühl und reserviert begegnet, wie verhältst du dich dann? Gehst du auf denjenigen freudestrahlend zu? Nein. Wahrscheinlich wirst du, wie die meisten von uns, ebenfalls abweisend und zurückhaltend reagieren.

Unsere Erwartungen beeinflussen unser Verhalten – auch wenn uns das nicht bewusst sein mag – und andere Menschen reagieren darauf entsprechend.

Der eigene Umgangsstil ruft in unseren Mitmenschen genau diejenigen Verhaltensweisen hervor, die unseren Erwartungen entsprechen. Es erfüllt sich das, was wir erwarten. Deshalb nennt man dieses Phänomen in der Psychologie "Selbsterfüllende Prophezeiung".

Wenn du überzeugt bist, etwas nicht erreichen zu können, dann ist es unerreichbar für dich. Glaube daran, dass alles möglich ist, solange du nicht das Gegenteil erfahren hast.

Ich habe mich deshalb entschieden, trotz mancher Enttäuschung, anderen Menschen immer wieder einen Vertrauensvorschuss zu geben – um meinetwillen und wegen der anderen. Wenn ich nicht sofort mit negativen Gedanken auf Menschen zugehe und diesen eine Chance gebe, dann fühle ich mich besser, und ich habe mehr Gelegenheiten, anderen Menschen nahe zu sein. Blocke ich innerlich sofort ab und bin nicht vertrauensvoll, bin ich zwar sicherer, nicht enttäuscht zu werden, doch ich nehme mir auch die Möglichkeit, schöne Erfahrungen zu machen und eine vertrauensvolle Beziehung zu diesem Menshen aufzubauen.

Außerdem lebt es sich mit dem Gedanken, dass es liebenswerte und vertrauenswürdige Menschen auf der Welt gibt, besser und zufriedener. Werde ich enttäuscht, weil der andere mich ausnutzt, auslacht, ablehnt oder ähnliches, gehe ich folgendermaßen damit um: Wenn ich die Möglichkeit habe, teile ich ihm meine Enttäuschung und meine Wünsche mit. Verhält er sich weiterhin in der gleichen Weise, distanziere ich mich von ihm und sage mir innerlich: "Es ist schade, dass der andere sich so verhält. Ich kann ihn nicht ändern, doch entscheiden, ob ich mich weiterhin mit ihm abgebe. Er verhält sich nicht meinetwegen so, sondern hat es nicht anders gelernt."

Anderen zu vertrauen ist immer mit dem Risiko verbunden, enttäuscht zu werden.

Unser Vertrauen kann missbraucht werden. Eine gute Vertrauensbasis ist jedoch wichtig für unser seelisches und körperliches Wohlbefinden und unsere Beziehungen. Ohne Vertrauen, bereiten wir uns viel seelischen Schmerz. Nur durch das Vertrauen, morgens wieder aufzuwachen, können wir ruhig und unbesorgt einschlafen.

Hätten wir kein Vertrauen, wieder aufzuwachen, würden wir unsere Nächte sorgenvoll und wach verbringen und hätten Angst, irgendwann einzuschlafen und nicht wieder aufzuwachen. Wir wären ein Nervenbündel. So ist es auch, wenn wir anderen misstrauen. Wir müssen ständig auf der Hut sein, ausgenutzt und benachteiligt zu werden und verspüren den ständigen Drang, kontrollieren zu müssen.

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Sarah schreibt am 03.01.2022

"...wenn die Eltern sie grundlos schlagen oder beschimpfen."
Ich denke nicht, dass es irgendeinen Grund gäbe, ein Kind zu schlagen!
Das muss überarbeitet werden.

PAL Redaktion schreibt am 03.01.2022

Liebe Sarah, herzlichen Dank für den wertvollen Hinweis. Wir haben den Beitrag gleich korrigiert. Morgen ist diese Version online.
Alles Gute!
Deine PAL Redaktion


Tobias Spranger schreibt am 16.12.2020

Vielen Dank für den wertvollen Artikel. Es ist traurig, wenn zwei Menschen zu früh auseinander gehen, die eigentlich echte Gefühle für einander empfinden. Mir fällt immer wieder auf, dass viele junge Menschen vorschnell eine noch junge Beziehung abbrechen. Ganz generell ist das Vertrauen in einer gestörten Beziehung sehr schwer wieder neu aufzubauen. Vorausgegangen sind meist schwerwiegende Vertrauensbrüche, und die wieder aus der Welt zu schaffen ist nicht so einfach. Beispiele für das zerstörerische Verhalten in Beziehungen ist das Fremdgehen oder das Verheimlichen von Schulden oder anderen gravierenden negativen Umständen. Diese Dinge empfindet der betrogene Partner als sehr schmerzlich. Betroffen sind ja meist sehr sensible Bereiche im Miteinander von zwei Menschen. In meinem Umfeld gibt es dennoch Paare, die trotz jahrelangen und dramatischen Fehlschritten durch einen der beiden Partner einen Neuanfang wagen wollen. Sie trauen sich, diesen Schritt zu gehen. Und das bedeutet, viel Mut dazu aufzubringen. Sich und dem anderen eine zweite und neue Chance zu geben bedeutet, wieder von vorne anzufangen. Dafür muss man aber das Alte hinter sich lassen. Neues Vertrauen entsteht nur, wenn die Voraussetzungen dafür geschaffen sind. Die alten Fehler sollen sich schließlich nicht wiederholen. Man will nicht dasselbe nochmals erleben. Das wäre eine komplette Niederlage für beide. Aber so leicht lässt es sich nicht vergeben und vergessen. Viele Gespräche und die Vermittlung der eigenen Erlebnisse und Verletzungen, Verständnis für entstandene Emotionen, machen es erst möglich, das Geschehene zu verarbeiten. Oft kann ein Therapeut helfen, die richtigen Worte und Formulierungen zu finden, die beiden im Gespräch sich wieder näher zu bringen. Beide Partner können danach langsam wieder beginnen, sich vertrauensvoll zu begegnen. Die Sensibilität gegenüber möglichen neuerlichen Fehltritten bleibt oft noch einige Zeit bestehen. Es ist aber wichtig, dem anderen nicht ständig wieder neues Misstrauen bei allen möglichen Anlässen entgegenzubringen. Das erfordert eine gewisse Disziplin. Denn es kommen mit Sicherheit immer wieder mal wieder die alten Emotionen hoch, die dann wieder zu Vorwürfen etc. verleiten. Neues Vertrauen in einer Partnerschaft kann nur entstehen, wenn die Vorbehalte gegenüber dem anderen keine Rolle mehr spielen. Das ist eine wichtige Basis für einen neuen harmonischen und liebevollen Umgang miteinander. Ist das gelungen, steht der zweiten Chance in einer Beziehung kaum noch etwas im Wege.


Inhalt des Beitrags   
Inhalt des Beitrags 
 Es gibt zwei Arten von Vertrauen, die beide miteinander zusammenhängen
 Wie Kinder lernen, misstrauisch zu werden
 Vertrauensvoll leben - wie macht man das?
 Anderen zu vertrauen ist immer mit dem Risiko verbunden, enttäuscht zu werden.
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