Dankbarkeit im Leben verankern

Die positiven Auswirkungen von Dankbarkeit auf unser Leben sind weithin anerkannt. Aber können wir trainieren, dankbarer zu sein? Dieser Beitrag zeigt Wirkung und Grenzen von Dankbarkeit auf und stellt Übungen vor, die dir helfen, mehr Dankbarkeit in dein Leben zu lassen.

Dankbarkeit im Leben verankern
© Guilherme Stecanella, unsplash.com

Wofür sind wir dankbar? Umfragen zeigen, dass es vor allem intakte zwischenmenschliche Beziehungen sind: Wir sind für die Partnerin oder den Partner, die Kinder, Eltern, Freundschaften dankbar. Aber auch für Dinge, die wir selbst nicht unmittelbar kontrollieren können, wie unsere Gesundheit oder Frieden.

Dankbarkeit liegt im Trend. Nicht zuletzt, weil wir in Zeiten leben, in denen viele Menschen immer häufiger von äußeren Krisen oder Katastrophen erschüttert werden, wie den verheerenden Auswirkungen der klimatischen Veränderung oder der grassierenden Corona-Pandemie. Fühlen wir unsere Existenz bedroht oder haben wir eine Gefahr vor Augen, sind wir dankbarer für die positiven Dinge im Leben. Wir sind uns bewusst, dass sich Freude, Glück oder Erfolg eben auch schnell verändern oder verschwinden können. Der Gewöhnungseffekt an die Zeit des Wohlstands, in der Psychologie auch „hedonistische Anpassung“ genannt, wird dann durch die Krise unterbrochen und wir schätzen das Gute, das wir besitzen, wieder mehr wert.

Aber nicht immer wurde Dankbarkeit als ein so positives inneres Gefühl verstanden, früher übten Gesellschaft, Religion und Erziehung oft Druck aus und Dankbarkeit wurde oft mit Pflicht verbunden – man war anderen „zu Dank verpflichtet“. Kam man dieser Pflicht nicht nach, wurde man bestraft. Dankbarkeit war deshalb viele Jahrhunderte mit negativen Gefühlen wie Wut, Scham und Schuld verbunden. Das hat sich glücklicherweise geändert. Heute sehen wir Dankbarkeit als eine freiwillige Geste, als etwas, das von Herzen kommen muss – bei uns und beim anderen. Haben wir den Verdacht, unser Gegenüber ist nur aus Kalkül oder Pflichtbewusstsein dankbar, hinterlässt das zumindest einen faden Beigeschmack.

Was bedeutet Dankbarkeit?

Dankbarkeit ist Wein für die Seele, komm, betrinke dich!

Rumi

Es gibt keine eindeutige Definition von Dankbarkeit. Sie kann vieles bedeuten: eine Form der Höflichkeit, ein Glücksgefühl, das sich einstellt, wenn wir eine Wohltat erhalten, eine Haltung gegenüber der Welt und des eigenen Seins, eine Tugend oder ein Persönlichkeitsmerkmal. Allerdings ist Dankbarkeit in allen Kulturen und Religionen verankert und lässt sich auch in den frühesten Aufzeichnungen der Menschheit wiederfinden. Die Dankbarkeit begleitet uns Menschen also seit Urzeiten.

Grundsätzlich setzt sich die Dankbarkeit aus drei Teilen zusammen:

  1. eine Gabe oder das Geschenk, das materiell, aber auch immateriell sein kann, wie ein Lächeln.
  2. eine/n Gebende/n, der uns etwas Positives übermittelt (oder andersherum, wenn wir selbst die oder der Gebende sind) und
  3. eine/n Empfangende/n, die oder der die Gabe wahrnimmt, sie als positiv bewertet und sich über die Wohltat freut.

Das Konzept der Positiven Psychologie

Lange war die Dankbarkeit auch in der Psychologie kein großes Thema, weil diese ihr Augenmerk als Erstes auf psychische Störungen und negative Emotionen legte und die positiven Aspekte zwischenmenschlicher Beziehungen oft nur am Rande beleuchtete. An Bedeutung hat das Thema Dankbarkeit erst um die Jahrtausendwende gewonnen, als das Konzept der Positiven Psychologie auf der ganzen Welt mehr Beachtung fand, das bereits in den 1990er Jahren vom US-amerikanischen Psychologen Martin Seligman entwickelt wurde.

Die Positive Psychologie fokussiert sich auf die Stärkung der positiven Seiten des Menschen. Positive Wahrnehmung und Denken stehen im Mittelpunkt. Glück, Optimismus, Vertrauen, Verzeihen und individuelle Stärken sind weitere tragende Säulen. Dankbarkeit spielt darin eine entscheidende Rolle für Charakterstärke, psychische Gesundheit und Wohlergehen des Menschen.

Die Positive Psychologie sieht Dankbarkeit als Gefühl und Persönlichkeitsmerkmal. Wenn wir eine Gabe oder Wohltat erhalten, laufen verschiedene Prozesse in unserem Inneren ab. Wir reflektieren zunächst, ob die Gabe gut für uns ist, dann, welche Intention die oder der Gebende hatte und schließlich, wie unsere emotionale Bindung zur gebenden Person ist. So können zum Beispiel Hierarchien bestehen oder eine Verpflichtung zur Gegengabe. Diese Faktoren lösen in uns Gefühle aus, meist positive, wie Freude, Glück, Ehrfurcht oder Ergriffenheit, manchmal aber auch negative, wie Scham und Schuldgefühle, wenn wir das Geschenk als zu groß empfinden.

Dankbarkeit als Persönlichkeitsmerkmal geht davon aus, dass wir das Leben grundsätzlich als positiv wahrnehmen und wertschätzen – und dankbar dafür sind. Wir sagen ganz klar „ja“ zum Leben und seinen Geschenken an uns. Wichtig dabei ist, uns bewusst zu sein, dass wir nicht selbst die positiven Wohltaten verursacht haben, sie werden von außen an uns herangetragen. Wahrnehmung und Wertschätzung des Positiven sowie die Anerkennung, dass wir Empfangende sind von Gaben, die wir uns nicht selbst schenken können, bilden die Grundeinstellung der Dankbarkeit.

Positive Effekte und Auswirkungen eines dankbaren Lebens

Wissenschaftliche Studien zeigen deutlich, dass dankbare Menschen zufriedener, glücklicher, optimistischer und auch hilfsbereiter gegenüber anderen sind. Ein stabiles Selbstwertgefühl, eine demütige Haltung gegenüber dem Leben und sichere und verlässliche Beziehungen sind wichtige Voraussetzungen, um Dankbarkeit zu empfinden.

Wenn wir dankbar sind, steigt unser Dopamin- uns Serotoninspiegel. Wir schlafen besser, können den Hang zum Grübeln und zu depressiven Verstimmungen senken, stärken unser Selbstvertrauen. Und die Qualität unserer zwischenmenschlichen Beziehungen nimmt zu. Positive Gefühle machen unser Denken offener, wir können positivere Haltungen gegenüber anderen einnehmen, wenn wir uns bewusst sind, dass das Gegenüber zu unserem Wohlbefinden beiträgt, was wiederum bestehende soziale Beziehungen stärkt und neue ermöglicht. Dennoch, ein Wundermittel für ein automatisch erfülltes und glückliches Leben ist Dankbarkeit allein nicht.

Grenzen der Dankbarkeit

Dankbarkeit ist nicht in allen Situationen und Lebensphasen angebracht. Dankbarkeit heißt nicht, alles im Leben positiv zu sehen, sondern eben nur die Dinge, die auch tatsächlich positiv sind. Negative Emotionen wie Ärger, Wut oder Trauer haben ihre Berechtigung und Funktion und müssen auch wahrgenommen und erlebt werden dürfen. Nur so ist eine nachhaltige Bewältigung von Problemen möglich. Viele Menschen neigen aber zu einer eher pessimistischen Lebenseinstellung und da hilft eine dankbare Haltung, um mehr Optimismus und Erfüllung zu erlangen.

Auch wenn wir Dankbarkeit als Pflichterfüllung erfahren, stößt die positive Seite der Dankbarkeit an ihre Grenzen. Bestimmt wurdest du als Kind auch oft darauf hingewiesen oder ermahnt, danke zu sagen, wenn jemand dir etwas geschenkt oder dir geholfen hat. Und manchmal hast du dich zwar bedankt, aber eben aus reinem Pflichtgefühl, nicht aus echter Dankbarkeit, wenn das Geschenk dann doch nicht so ganz deinen Wünschen entsprach. Dankbarkeitsdruck, also die Erwartungshaltung des Gebenden, des Umfelds oder der Gesellschaft, Dankbarkeit zu zeigen, führt beim Empfangenden dann zu negativen Gefühlen wie Trotz, Wut, Abhängigkeit, Scham oder Schuld, und hat nichts mit echter, freiwilliger Dankbarkeit zu tun.

Kannst du Dankbarkeit trainieren?

Ganz klar: ja. Wie jedes Gefühl kannst du dich auch in der Dankbarkeit üben und die Voraussetzungen zu einem erfüllteren und zufriedeneren Leben schaffen. Ziel aller Übungen ist es, jenen Blick auf die Welt zu verändern, der das Negative mehr wahrnimmt als die positiven Dinge, die dich umgeben. Dazu sind allerdings Geduld und ein kontinuierliches Training nötig, denn von heute auf morgen sind Veränderungen nicht zu schaffen.

Doch Studien haben gezeigt, dass schon nach einem fünfwöchigen Dankbarkeitstraining negative Gedanken abgeschwächt werden und eine nachhaltige Zuwendung zum Positiven erreicht werden kann. Folgende Übungen können ein erster Schritt zu mehr Dankbarkeit in deinem Leben sein.

7 Übungen für mehr Dankbarkeit

Übung 1: Denke vom Kleinen ins Große

Stell dir nicht gleich zu Beginn die große Frage: „Wofür bin ich in meinem Leben dankbar?“ Fang mit Kleinigkeiten und einzelnen Lebensbereichen an. Was läuft im Job gut? Für welche Kleinigkeit in meinem Tageablauf bin ich heute dankbar? Hat dir dein Partner heute den Kaffee zubereitet? Hast du das warme Wasser beim Duschen genossen? Achte mehr auf die kleinen, beglückenden Dinge.

Übung 2: Übe dich in Achtsamkeit

Aus der Achtsamkeitspraxis kann man viele hilfreiche Übungen übernehmen, sich auch in der Dankbarkeit zu üben. Achte immer wieder auf die kleinen Freuden des Alltags, konzentriere dich auf dein gegenwärtiges Tun, nimm den Moment mit all deinen Sinnen wahr und schätze die Schönheit des Augenblicks. So wirst du dankbarer für das Gute, das du besitzt.

Übung 3: Führe ein Dankbarkeitstagebuch

Ein Dankbarkeitstagebuch zu führen ist eine der bekanntesten Methoden des Dankbarkeitstrainings. Es kann dir helfen, dir die positiven Dinge in deinem Leben bewusster zu machen. Wichtig ist, dass du dich aber nicht unter Druck setzt. Versuche einmal, jeden Tag bis zu drei Dinge aufzuschreiben, für die du ganz konkret an diesem Tag dankbar warst. Das müssen keine großen Dinge sein, achte vor allem auch auf die kleinen Dinge. Am besten machst du dein Dankbarkeits-Resümee vor dem Schlafengehen, denn dann hat es vielleicht sogar positive Auswirkungen auf deine Gedanken und deinen Schlaf.

Übung 4: Schreibe einen Dankesbrief

Auch ein Brief, in dem du deine Dankbarkeit ausdrückst, kann dich sensibler für die Dankbarkeit im Allgemeinen machen. Dabei ist es egal, ob du den Brief an eine reale Person, die dir Gutes getan hat, abschickst, oder ob du ihn nur für dich selbst schreibst. Die positive Wirkung bleibt auch dann bestehen.

Übung 5: Fotografiere Momente der Dankbarkeit

Du kannst auch mit dem Smartphone alle schönen und guten Momente fotografieren, für die du dankbar bist. Im Laufe der Zeit entsteht dann deine ganz persönliche Dankbarkeitsgalerie, die du dir in schwierigen Zeiten ansehen kannst und die dir dann Kraft schenken wird.

Übung 6: Die Meditation der liebenden Güte

Die sog. Metta-Mediation stammt aus dem Buddhismus und Metta bedeutet Wohlwollen, Sympathie, Freundlichkeit, Offenherzigkeit oder liebende Güte. Die Stimme des Herzens steht dabei im Mittelpunkt. Dem Metta-Grundprinzip nach sollen wir eine Haltung wohlwollender, bedingungsloser und allumfassender Liebe und Güte zu allen Lebewesen und unserer Umwelt entwickeln, unabhängig davon, wie sich diese verhalten. Unsere Liebe soll dabei ohne Anhaftung und frei von jeglichem Egoismus sein. Die Meditation der liebenden Güte kann dir dabei helfen, wohlwollende Liebe und Dankbarkeit zu entwickeln. Steck dir aber für den Anfang keine zu hohen Ziele. Um das Metta-Prinzip in sein Leben zu integrieren, benötigt man sehr viel Übung. Gehe kleine Schritte, alles braucht seine Zeit.

Übung 7: Übe mit der Naikan-Methode

Die Naikan-Meditation stammt aus dem japanischen Buddhismus. Sie soll durch ein intensives in sich Hineinschauen helfen, den Reichtum des Lebens zu erkennen. Drei Fragen stehen dabei im Zentrum:

1. Was haben mir wichtige Personen (z.B. Eltern) in wichtigen Lebensphasen Gutes getan?

2. Was habe ich ihnen Gutes getan?

3. Womit habe ich ihnen Kummer und Schwierigkeiten bereitet?

Im Gegensatz zur westlichen Psychotherapie, in der eher die Defizite von sozialen Beziehungen analysiert werden, arbeitet das Naikan mit den positiven Aspekten unserer Beziehungsstrukturen – und richtet so die Aufmerksamkeit auf die Dankbarkeit.

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 Was bedeutet Dankbarkeit?
 Das Konzept der Positiven Psychologie
 Positive Effekte und Auswirkungen eines dankbaren Lebens
 Grenzen der Dankbarkeit
 Kannst du Dankbarkeit trainieren?
 7 Übungen für mehr Dankbarkeit
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