Destruktive Kritik entkräften

Psychologische Strategien von der Psychotherapeutin Dr. Doris Wolf für den Umgang mit unsachlicher und deskruktiver Kritik.

Destruktive Kritik entkräften

"Das hat mich schwer getroffen!", "Er hat mich niedergemacht.", "Was sie gesagt hat, hat gesessen.", „"ch bin am Boden zerstört.", so oder ähnlich hat sicher jeder von uns schon einmal seine Reaktion auf eine Kritik beschrieben. Im Grunde reißen sich die meisten von uns nicht darum, Kritik von anderen zu hören. Dies hat damit zu tun, dass wir in Kritik meist eine Gefahr für unsere Persönlichkeit und unseren Selbstwert sehen.

Natürlich ist unsere Reaktion auch abhängig davon, wie Kritik vorgetragen wird. Wenn sie wohlwollend und mit dem Ziel, die Beziehung zu erhalten und/oder uns zu unterstützen, geäußert wird - man nennt dies auch konstruktive Kritik - dann fällt es uns leichter, Kritik anzunehmen. In einem solchen Fall ist es wichtig, die Kritikpunkte genauer anzuschauen. Eine solche Kritik kann uns nämlich helfen, besser zu werden und Freundschaften zu erhalten.

Immer dann, wenn die Kritik jedoch

  • unsere gesamte Person infrage stellt,
  • unangemessen und übertrieben ist,
  • unsachlich und verletzend vorgetragen wird,
  • zu allgemein ist,
  • darauf angelegt ist, uns klein zu machen,

ist es wichtig, dass wir Strategien kennen, die Auswirkungen dieser Art von Kritik zu neutralisieren. Destruktive Kritik verdient es nicht, berücksichtigt zu werden. Deshalb möchte ich Ihnen Strategien aufzeigen, wie Sie auf unsachliche Kritik reagieren können.

15 Strategien, unsachliche und verletzende Kritik zu entkräften

TIPP 1: Verzichten Sie darauf, sich zu verteidigen.

Zumindest in dem Augenblick, in dem Ihr Kritiker Ihnen gegenüber eine unsachliche Kritik äußert, macht es wenig Sinn, dagegen zu argumentieren. Er ist dann gewöhnlich nicht in der Verfassung, dass Ihre „wenngleich so richtigen“ Argumente ankommen könnten. Sie vergeuden Energie, steigern sich hinein und erreichen Ihr Ziel doch nicht. Falls Ihr Kritiker vorhatte, Sie aus der Fassung zu bringen, klopft er sich nun auf die Schulter.

TIPP 2:Schauen Sie sich den Kritiker genau an.

Welche Persönlichkeit, welche Vorlieben und welche Wertvorstellungen hat er? Die Kritik sagt mehr über die Person des Kritikers als über Sie aus. Wollen Sie wirklich so sein wie er und sich verhalten, wie er es für richtig hält? Wenn nein, dann entscheiden Sie sich, ob Sie sich seine Kritik zu Herzen nehmen wollen.

TIPP 3:Suchen Sie nach dem Motiv des Kritikers.

Welches Ziel könnte der Kritiker mit seiner unsachlichen Kritik verfolgen? Welchen Vorteil könnte er davon haben, dass er Sie in Bausch und Bogen abzuwerten versucht? Will er z.B. seinen Ärger loswerden oder sich machtvoll und kompetent fühlen? Will er sich nur amüsieren? Indem Sie erkennen, dass der Kritiker in Wirklichkeit nicht Ihnen, sondern sich helfen will, können Sie sich von der Kritik distanzieren.

TIPP 4:Fragen Sie sich, ob der Kritiker für Ihr Leben von Bedeutung ist.

Wenn seine Meinung nicht wichtig für Sie ist und Sie durch Nichtbeachtung seiner Kritik keine Nachteile haben, können Sie sich die Freiheit nehmen, sie zu überhören bzw. einfach als seine unbedeutende Meinung stehen zu lassen.

TIPP 5:Nehmen Sie nur konstruktive Kritik an.

Konstruktive Kritik bedeutet, dass der Kritiker Sie respektiert und Ihnen seine Rückmeldung in angemessener Form gibt. Er formuliert seine Kritik, weil er Sie unterstützen will und nicht, weil er Sie in irgendeiner Form zu seinem Vorteil manipulieren will. Wenn der Kritiker nur zum Ziel hat, Sie aus der Fassung zu bringen oder zu demontieren, dann dürfen Sie sich entscheiden, seine Kritik ins Leere laufen zu lassen. Dann gibt es keine Botschaft, die Sie verbessern oder unterstützen könnte.

TIPP 6:Bedauern Sie den Kritiker.

Er braucht Sie vielleicht, um sein Selbstwertgefühl zu retten. In Wirklichkeit könnte er also von Ihnen abhängig sein, denn wenn er Sie nicht niedermachen kann, fühlt er sich klein und unbedeutend.

TIPP 7:Sehen Sie den Kritiker als kleines, unreifes Kind.

Wenn er seine Kritik so unsachlich vorträgt, dann verhält er sich wie ein kleines Kind, das schreit: „Du bist eine böse Mami“, wenn es kein Eis bekommt. Ebenso wie die Mami diesen Kommentar ihres Kindes nicht ernst nimmt, können Sie entscheiden, das hinter dem Kritiker stehende kleine hilflose Kind zu sehen, dessen Erwartungen nicht erfüllt wurden.

TIPP 8:Experten können sich auch irren.

Lassen Sie sich nicht vom Rang und Namen des Kritikers blenden. Übernehmen Sie seine Kritik nicht vorbehaltlos. Zudem, auch wenn er Wissen und Erfahrung in dem Bereich haben sollte, zu dem er Sie kritisiert, das rechtfertigt nicht seine abwertende Art, die Kritik vorzutragen.

TIPP 9:Schreiben Sie Ihren Kommentar auf.

Wenn Sie sehr wütend sind und Ihnen tausend gute Gegenargumente einfallen, dann kann es Ihnen helfen, aus der Situation zu gehen und Ihre Gedanken zu Papier zu bringen. Dabei brauchen Sie nicht mit Schimpfwörtern zu sparen, denn diesen Brief sollten Sie Ihrem Kritiker keinesfalls unter die Augen reiben. Verbrennen Sie ihn stattdessen oder reißen Sie ihn in kleine Fetzen, die Sie im WC runterspülen.

TIPP 10:Bedanken Sie sich bei Ihrem Kritiker.

Natürlich brauchen Sie sich nicht für die unpassende Kritik bedanken, sondern lediglich dafür, dass er seine Meinung geäußert hat. Teilen Sie Ihrem Kritiker mit, dass Sie darüber nachdenken werden, was er gesagt hat. So gewinnen Sie zum einen Zeit, zum anderen sind Sie frei, zuhause einfach über seine lächerliche Kritik zu lachen.

TIPP 11:Drehen Sie einen neuen Film.

Diese Strategie ist hilfreich, wenn Sie dazu neigen, sich immer wieder die Szene auszumalen, in der der Kritiker seine Kritik geäußert hat. Wenn Sie beim nächsten Mal das Bild vor Augen haben, dann stellen Sie sich vor, dass Sie den Ton leise drehen. Gleichzeitig malen Sie sich aus, wie das Bild immer kleiner und verschwommener wird, bis sie überhaupt nichts mehr sehen und hören können. Wiederholen Sie die Strategie, wann immer Sie an die Kritik denken.

TIPP 12:Nutzen Sie Humor.

Wählen Sie sich z.B. eine Komikfigur oder eine Tierart, die am besten auf den Kritiker passt. Stellen Sie sich ganz lebendig vor, wie die Kritik mit der typischen Stimme und dem Tonfall aus dem Mund der Komikfigur oder des Tieres kommt. Je besser Ihnen die Vorstellung gelingt, umso weniger ernst werden Sie die Kritik nehmen. Wiederholen Sie die Strategie, wann immer Sie an die Kritik denken.

TIPP 13:Schreiben Sie den Kommentar des Kritikers auf einen Spiegel.

Auch dies ist eine Strategie, bei der Ihre Vorstellungsgabe gefragt ist. Malen Sie sich aus, dass Sie den Kommentar Ihres Kritikers auf einen großen Spiegel schreiben. Dann stellen Sie sich vor, wie Sie einen großen Hammer nehmen und den Spiegel mit samt dem Kommentar in tausend kleine Stückchen zerschlagen. Wiederholen Sie die Strategie, wann immer Sie an die Kritik denken.

TIPP 14:Verteilen Sie Komplimente.

Geben Sie für jede Kritik, die Sie erhalten, im Gegenzug drei ernst gemeinte Komplimente an andere Menschen. Sie können diese direkt, per Email oder am Telefon verteilen. Indem Sie sich Komplimente ausdenken, widmen Sie Ihre Zeit und Energie positiven Dingen. In vielen Fällen wird sogar auch etwas Positives zurückkommen.

TIPP 15:Erinnern Sie sich daran, wie Sie als Kind auf Kritik reagiert haben.

Vielleicht haben Sie bei einer „Gardinenpredigt“ von Ihren Eltern einfach nur mit den Augen gerollt und gedacht „Jetzt kommt das schon wieder ...“. Probieren Sie aus, ob diese Strategien Ihnen heute, wenn Sie zuhause im stillen Kämmerlein an die Kritik denken, immer noch gute Dienste tun kann.

Diese Strategien sind Vorschläge, wie Sie auf destruktive Kritik reagieren können. Am besten Sie probieren diese Strategien der Reihe nach aus und schnüren Ihr ganz persönliches Mit-Kritik-Umgehen-Strategien-Paket. Die Strategien werden nicht immer und nicht gleich gut greifen. Das ist normal. Je häufiger Sie diese einsetzen, umso wirkungsvoller sind sie jedoch.

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Jürgen Müller schreibt am 17.06.2022

Ich habe einen ehemaligen Arbeitskollegen, der sehr stark zu Nörgeleien neigt. Alle anderen auf Arbeit sind schlecht, alle Entscheidungen auf Arbeit sind mehr als bedenklich, eher falsch usw. Und die Aussagen werden viele male wiederholt.
Meinen Hinweis, er solle doch mal mit dem Nörgeln aufhören, quittiert er mir mit: "Ich nörgele doch nicht, ich stelle nur fest."
Was tun?


Ulla schreibt am 04.06.2021

Die Überschrift "Schreiben Sie die Kritik auf einen Spiegel" bitte umschreiben auf "Zerschlagen Sie die Kommentare Ihres Kritikers"
Danke


Schuler Andrea schreibt am 22.03.2021

Schön das es die PAL Psychotipps gibt ich habe schon sehr viele Bücher von ihnen auch das erste von Doris Wolf über das erröten das ich mehrere male gelesen habe hab auch ihre Jahreskalender Lebensmut Ich freue mich immer wieder über neue Beiträge zum Thema Angst und erröten und ganz toll diese kurz Videos zu den Themen eine Bereicherung das ich heute diese Seite entdeckt habe


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